Matthias Schneider ist Sprecher der Initiative »Faites votre Jeu« in Frankfurt am Main/Bockenheim

Frankfurt/Main: Ortsbeirat will Betreiber linken Kulturzentrums räumen – unter Federführung der Grünen. Gespräch mit Matthias Schneider

Interview: Gitta Düperthal


Die Initiative »Faites votre Jeu« hält das ehemalige Jugendzentrum Bockenheim (Juz) besetzt: als selbstverwaltetes Zentrum für kulturell und politisch Aktive in Frankfurt am Main. Jetzt sollen Sie ausziehen. Wie hat das der Ortsbeirat diskutiert?

Er hat nur empfehlende Funktion für Magistratsbeschlüsse. Gefordert hat er, uns ein geeignetes Ersatzobjekt und Gelder für eine Anfangsfinanzierung bereitzustellen. Im Gegenzug müsse die Initiative das besetzte Haus in der Varentrappstraße verlassen. Es ist aber nicht klar, ob wir bis zum 15. Januar, wenn die Duldung ausläuft, räumen sollen, oder erst, wenn ein Ersatz gefunden ist. Der NPD-Stadtverordnete Jörg Krebs hatte bereits im Sommer eine Anfrage an den Magistrat gestellt – vermutlich mit der Absicht, auf eine Räumung hinzuwirken. Da gab es Fragen wie: Warum wird überhaupt verhandelt, und wer sind die Leute? In diesem Zusammenhang antwortete der Magistrat Anfang November, mit der Sanierung der jetzt von uns genutzten Räume solle im ersten Quartal 2009 begonnen werden – vielleicht erst am 31. März.

Was halten Sie vom Beschluß des Ortsbeirats?

Wir begrüßen, daß er von der Notwendigkeit überzeugt zu sein scheint, daß es Räume für die Initiative geben muß. Man schaue sich nur die Aktivitäten im vergangenen halben Jahr an: unter anderem fünf Ausstellungen mit jungen Künstlern, ein Zeitzeugengespräch mit dem Widerstandskämpfer Ernesto Kroch, Lesungen zur Gegen-Buchmesse. Uns stellt sich allerdings die Frage: Wird die Stadt uns ein für unsere Zwecke geeignetes Objekt bieten? Solange es keinen Ersatz gibt, werden die Menschen, die viel Arbeit in das Projekt gesteckt haben, das Haus nicht verlassen. Bisher gebotene Alternativen waren eigentlich keine: Ein Wohnhaus in Rödelheim, ursprünglich für Sinti und Roma vorgesehen, und ein Gebäude in Sachsenhausen, das sich gar nicht im Besitz der Stadt befindet, wie sich nach unserer Besichtigung herausstellte.

Sie sind verärgert über die Debatte im Ortsbeirat. Warum?

Die Linkspartei hatte zwei Anträge gestellt. Erstens: Die Strafanzeige, die gegen uns vorliegt, soll zurückgenommen werden. Zweitens: Es sollen Gelder für uns zur Verfügung gestellt werden. Beide wurden abgelehnt. Statt dessen ließ der Ortsvorsteher Walter Bromba von den Grünen zunächst den Leiter der »Schule für Mode und Bekleidung« zu Wort kommen, den er selbst eingeladen hatte. Der soll angeblich schon seit 2003 ein Nutzungsinteresse haben. Unter der Verwaltung des Schuldezernats sorgten jedoch eingeschlagene Fenster und Löcher im Dach für den stetigen Verfall des denkmalgeschützten Hauses, das seit 2001 leer gestanden hatte. Wir hatten nicht den Eindruck, daß es genutzt werden sollte. Erst nach der Besetzung und nachdem wir die Schäden repariert hatten, wurden vom Magistrat Gelder bewilligt, damit die Administration der Schule einziehen kann: Schulleitung, Verwaltung, Lehrer – keine Schüler.

Was bezwecken die Grünen eigentlich?

Es spricht Bände, wenn ausgerechnet ein Ortsbeirat der Grünen sagt, wir müßten uns bewußt sein, daß eine Hausbesetzung ein krimineller Akt sei. Gleichzeitig zieht die grüne Frankfurter Bürgermeisterin Jutta Ebeling mit einem Vortrag über die »68er« durch die Lande und feiert die Errungenschaften der damaligen Hausbesetzerbewegung. Als zuständige Bildungsdezernentin scheint sie aber keine Probleme mit unserer eventuellen Räumung zu haben. Wir stellen die herrschenden Verhältnisse in Frage. Daß man damit aneckt, ist klar.

Wie hat die CDU reagiert?

Dietrich Wersche, Mitglied des Ortsbeirats (CDU), hat gesagt, er verstehe nicht, warum wir das Haus erst besetzt haben, als es bereits Nutzungspläne dafür gab. Wäre es vorher passiert, hätte er darin kein Problem gesehen. Das ist ja wohl als Aufforderung zu werten, weitere Häuser zu besetzen …

Wie wollen Sie Ihren Protest weiterhin deutlich machen?

Bei unserem Tag der offenen Tür am 18. Dezember werden wir klarmachen: Entgegen der oft behaupteten Politikverdrossenheit junger Menschen zeigt sich gerade hier: Jenseits der parteipolitischen Gremien und Institutionen besteht ein Interesse an aktiver Gestaltung von Politik.

Junge Welt, 08.12.2008

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