Muss wirklich sagen: Einen Megarespekt. Den hatte ich nämlich, nachdem ich gestern durchs besetzte ehemalige JUZ in Bockenheim geführt wurde und mir selbst ein Bild machen konnte, was die Leute der Initiative „Faites votre jeu“ da geleistet haben. Weiß eigentlich auch nicht, weshalb es mich nicht schon früher dorthin verschlagen hat, zu einer der unzähligen Ausstellungen, Lesungen, Konzerte oder schlicht zum Barabend. Auch einen großen Respekt für die Öffentlichkeitsarbeit, für den Aufwand, um die gestrige Präsentation zu gestalten und die Ausdauer beim Kampf gegen Stadtbürokratie, Justiz und gewisse Direktoren ohne Weitblick (eigentlich ist es ja nur einer).

Einen Platz zur kreativen Entfaltung, Produktionsräume für Künstler, die sich diese im teuren Frankfurt nicht leisten können. Ein Ort, an dem sich junge Menschen auf unterschiedlichste Weise bilden können oder das gemeinsame Restaurieren eines unter Denkmalschutz stehenden Haus – all das findet sich in dem seit 2. August laufendem Projekt. Seit sieben Jahren stand das Gebäude bereits leer und die Stadt hat keinen Finger gerührt, um irgendetwas gegen den Verfall zu unternehmen oder den vier Wänden sonst einen sinnvollen Nutzen zu geben. Eigentlich müsste die Besetzter-Gruppe ja gelobt werden. Seit Beginn seien zwischen 8000 und 10000 Euro in die Renovierung geflossen – und eine ungezählte Summe an freiwilligen Arbeitsstunden. Das Engagement ist eindeutig und zielt nicht auf den Bau einer eigenen kostenlosen Wohnung oder Fetenbude, sondern bietet eine Plattform für individuelle Entfaltung. Jeder kann hier Projekte vorstellen, wird von einem Plenum begutachtet und kann das Geplante dann im Haus umsetzten. Bisher seien noch keine Anträge abgelehnt worden. So fanden in den 146 Tagen seit der Entstehung 37 Ausstellungen, 20 Vorträge, 21 DJ-Shows und 6 Bandauftritte statt. Dies alleine zeigt schon das Bedarf an solchen Plätzen besteht.

Die Bar vorher – und nachher

Eigentlich steht hier Lob an, jedoch läuft die Strafanzeige der Stadt wegen Hausfriedensbruch immer noch und die Streitigkeit mit der Modeschule ist auch nicht gelöst. Leider konnte ich nicht auf die letzte Bockenheimer Ortsbeiratssitzung, um mir den Direktor der Modeschule selbst anzuschauen. Doch gestern kam ich, sah und verstand. Selbst nach zigfachem Ermahnen, er möge die Leute doch nicht ständig unterbrechen, war Herr Lütjens immer noch nicht in der Lage seine Gesprächspartner ausreden zu lassen. Wenn’s wenigstens etwas inhaltlich sinnvolles gewesen wäre. Und wenn Herr Lütjens als Mensch der Bildung sehen würde wie viel Potential ihm hier geboten wird, dann würde er mit diesen Leuten zusammen arbeiten. Denn das Ziel ist so offensichtlich das gleiche. Oder doch nicht? Was ist eigentlich Herr Lütjens Ziel? Das Haus soll nicht etwa neue Klassenräume für die Modeschule bieten. Administration. Hmmm. Da gibt es doch so viele andere Häuser. Über 10 Prozent der städtischen Büroflächen liegen Brach. Eine annehmbare Alternative wird jedoch genausowenig den Besetzern, wie der Modeschule geboten. Also Herr Lütjens, wer ist denn nun schuld? Erst seit der Besetzung ist das alte JUZ überhaupt im Gespräch. Davor krähte kein Hahn danach.

Ausstellungsraum vorher – und nachher

Am 15. Januar soll das Haus geräumt werden. Die Besetzer wollen jedoch keinerlei Verträge eingehen, bei denen nicht eine sinnvolle Alternativlösung Bestandteil ist und aufgeben schon gar nicht. Die Solidarisierungen sind zahlreich, ob von Unis oder Fachhochschulen (also hier natürlich die Studentenvertretungen), der GEW, den Linken und unzähligen Künstler. Und sogar Micha Brumlik befürwortet das Projekt. Jeronimo Voss von der Städelschule meinte noch: „Wenn die Stadt Frankfurt sich auch in Zukunft als Kunst- und Kulturmetropole darstellen will, sollte sie die Eigeninitiative solcher Projekte mit dem nötigen Respekt begrüßen und nicht etwa mit einer Strafanzeige oder einer drohenden Räumung durch Schlagstockeinsatz.“ Richtig. Es kann der Stadt und vor allem Bockenheim nur zugute kommen wenn beide Projekte, also JUZ und der Ausbau der Modeschule, umgesetzt werden. Wie Katharina Rhein vom Fachschaftsrat Erziehungswissenschaften so schön sagt, sei es „unverständlich, dass die Stadt nicht sieht, welchen Gewinn dieses Projekt für die Menschen in Frankfurt darstellt.“

Journal Frankfurt – www.pflasterstrand.de, 19.12.2008
von Günther Michels

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