Das besetzte Haus in Bockenheim. Faust

Studenten wollen nicht weichen / Stadt benötigt Gebäude dringend

FRANKFURT. Studenten halten seit August 2008 ein Haus besetzt. Die Stadt Frankfurt benötigt das Gebäude dringend für eine Schulerweiterung. Da die Besetzer nicht weichen, muss Bürgermeisterin Jutta Ebeling wohl die Polizei rufen. Ebeling war früher selbst Hausbesetzerin.

Bei Hausbesetzungen denkt man an die Siebziger- und frühen Achtzigerjahre, als in Frankfurt der Häuserkampf um leerstehende Villen tobte, die von Spekulanten dem Verfall preisgegeben wurden, um nach einem Abriss mit dem Verkauf des Grundstückes Millionen zu verdienen. Lang ist es her. Zuletzt wurde in Frankfurt 1992 ein Haus besetzt. Die Besetzer wohnen dort inzwischen ganz brav als Mieter.

Doch jetzt gibt es einen neuen Fall. Im August 2008 besetzten Studenten ein leerstehendes Haus in Bockenheim. Diesmal ist aber nicht ein böser Spekulant der Besitzer der Immobilie, sondern die Stadt. Diese will das Haus für 1,5 Millionen Euro umbauen, um sieben neue Klassenräume für die benachbarte Schule für Bekleidung und Mode zu schaffen. Die Schule mit 1200 Schülern platzt aus allen Nähten. Doch die Besetzer denken gar nicht daran, das Haus zu räumen.

Jetzt droht eine Eskalation. Denn die Stadt hatte den Besetzern im Sommer mitgeteilt, dass ihr Bleiben nur bis zum 15. Januar 2009 geduldet werde. Noch in diesem Monat sollen die ersten Bautrupps anrücken, um das Haus aus der Gründerzeit, das in den Sechziger Jahren schon einmal besetzt war, und anschließend jahrelang als Jugendzentrum genutzt wurde, zu sanieren.

Die Hausbesetzer nennen ihre Initiative »faites votre jeu« (»Mach‘ dein Spiel«) und verstehen sich als »Reaktion auf die voranschreitende, repressive Umstrukturierung des städtischen Raumes«. Sie wollen »Brüche in der gesellschaftlichen Totalität aufzeigen und so einen möglichen Gegenentwurf zu den vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen darstellen«, heißt es auf der Internetseite.

Die Besetzer sind Studenten der Offenbacher Hochschule für Gestaltung und der Frankfurter Städelschule. Der harte Kern besteht aus 25 bis 30 Personen. Sie betreiben in der Villa ein Kulturzentrum. Lesungen, Konzerte und Diskussionsveranstaltungen finden dort statt. Auszug aus dem Januar-Programm: »Azrael« (Snob-Punk), Vortrag: »Häuserbesetzungen und Rechtsstaat« und ein autonomer Spieleabend. Angebotene Selbstverteidigungskurse seien alle ausgebucht, heißt es auf der Internetseite der Initiative. Ein Hinweis auf bevorstehende Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht?

Alternativen angeboten

Die Stadt hat ihnen – obwohl sie dazu nicht verpflichtet ist – zwei alternative Standorte in Rödelheim und Sachsenhausen angeboten. Der Sprecher von Bürgermeisterin Jutta Ebeling (Grüne), Rüdiger Niemann: »Das eine Haus war denen zu weit draußen, das andere zu klein.« Die Besetzer haben inzwischen den Kontakt zur Stadt abgebrochen, mit der Begründung, sie suche nicht ernsthaft nach Ersatzräumen. Allerdings wurde Bildungsdezernentin Jutta Ebeling zu einer Ausstellung eingeladen.

In einem Brief hat die Bürgermeisterin die Hausbesetzer noch einmal daran erinnert, dass sie die denkmalgeschützte Villa verlassen müssen. Doch die wollen nicht. So sagt Ebeling-Sprecher Niemann: »Eine Räumung ist jetzt nicht mehr ausgeschlossen.«

Das Pikante daran: Jutta Ebeling war früher selbst Hausbesetzerin. Ihre Nachfolger haben deshalb Passagen eines Interviews ins Netz gestellt, das Ebeling im vergangenen Jahr gegeben hatte. Dort sagte sie über die damalige Zeit: »Ich bin glücklich und dankbar, dass ich in einer Zeit großgeworden bin, wo man das Gefühl hatte, man könnte die Welt aus den Angeln heben. Ich würde das jedem Menschen heute auch wünschen, dass er einmal so ein Gefühl haben könnte. Es war eine Zeit eines großen Aufbruchs, einer Zeit der großen Hoffnungen und von viel Solidarität und Vergnügen miteinander.«

Wiesbadener Kurier, 14.01.2009
Von Jorg Hamm

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