Leitartikel

Die Stadt kann von Glück sagen, dass sie so engagierte Mieter für den fahlgelben, seit sieben Jahren leerstehenden Bau in der Klapperfeldstraße gefunden hat.

Kann man am vielleicht beklemmendsten Ort Frankfurts Kultur machen? Man kann nicht nur. Man muss. Hinter den dicken Wänden des ehemaligen Polizeigewahrsams mit der Adresse Klapperfeldstraße 5 folterte und mordete die Gestapo, wurden 1968 bei Demonstrationen festgenommene Studenten stundenlang verhört, bangten später Abschiebehäftlinge. Das seit Jahren ungenutzte Klapperfeld steht mitten in Frankfurt, doch es blieb ein blinder Fleck der Stadtgeschichte. Ein Un-Ort, mit dem man sich ungern beschäftigte. Bis jetzt. Am Sonntag öffnet die autonome Kulturinitiative »Faites votre jeu« erstmals die Tür ihres neuen Domizils – sie zeigt eine Ausstellung über die nationalsozialistische Geschichte des fahlgelben Klotzes.

Die jungen Künstler wollten erst nicht in den Knast. Das kann man verstehen. Nicht nur, weil es tiefster Winter war, als Jutta Ebeling ihnen im Januar das unbeheizte, wenn nicht gar unbeheizbare Klapperfeld anbot – als Ersatz für das ehemalige Jugendzentrum in Bockenheim. Der Gründerzeitbau in der Varrentrappstraße hatte sieben Jahre lang leer gestanden, bevor »Faites votre jeu« ihn besetzte und zum autonomen Kulturzentrum machte. Weil die Schule für Mode- und Bekleidung einziehen soll, stellte die Stadt den Besetzern ein Ultimatum: Umzug ins Klapperfeld oder Räumung.
Im allerletzten Moment hatten die Sprecher von »Faites votre jeu« damals zugesagt, sichtbar wenig begeistert. Nächtelang hätten sie diskutiert, ließ die Gruppe wissen. Undankbar fanden das viele im Römer, von links-kapriziösem Plenumsgetue war die Rede, von Autonomen, die unter dem Deckmantel der Kultur eigentlich nur Stress machen wollen.

Heute steht fest: Sie haben »Faites votre jeu« Unrecht getan. So ernsthaft sich die Initiative im Vorfeld offenbar mit dem Bau auseinandergesetzt hatte, so ernsthaft tut sie das weiterhin. Das Klapperfeld ist eben keine verkehrsgünstig gelegene Party-Location mit Gruselfaktor. Das Klapperfeld ist eine Herausforderung.
»Faites votre jeu« hat sie angenommen. Wenn junge Menschen sich eigenständig und ohne Budget auf die mühselige Suche nach historischen Quellen machen, wenn sie in ihrer Freizeit Zeitzeugen suchen und Archive durchforsten, dann ist es ihnen wohl ernst. Die Stadt kann von Glück sagen, dass sie so engagierte Mieter gefunden hat.

Schade, dass es freie Kunstschaffende immer so schwer haben in Frankfurt, dass sie kaum an bezahlbare Räume kommen. Peinlich, wenn es erst einen erbitterten Streit um eine Hausbesetzung braucht, um zu zeigen: Kultur abseits des Mainstreams braucht einen Platz in dieser Stadt. Und zwar mittendrin.

Zum Artikel

Frankfurter Rundschau, 06.08.2009 (download pdf)
Von Anne Lemhöfer

Vorheriger ArtikelEröffnung des ersten Teils der Dauerausstellung zur Geschichte des ehemaligen Polizeigefängnisses »Klapperfeld«
Nächster ArtikelGestapo im Klapperfeld