Sozialistischer Widerstand: Szene aus dem Spanischen Bürgerkrieg im Werk »Mein Katalonien«. Foto: Michael Schick

Der Modellbau-Künstler Matthias Schmeier zeigt im ehemaligen Frankfurter Polizeigewahrsam im Klapperfeld seine 3D-Panoramen. Es sind Szenarien gegen Krieg, Militär- und Polizeigewalt sowie gegen den Kapitalismus.

Rote Farbe rinnt die Fassade einer Deutsche-Bank-Filiale hinunter. Der Farbbeutel dazu stammt aus der Hand eines daumengroßen schwarz vermummten Autonomen. Dessen rechter Arm im Kapuzenpulli-Ärmel hängt wie eingefroren in der Luft, für ewig in seiner Wurfbewegung erstarrt. Der Kapuzenpulli war mal Teil einer Uniform, und die Hand keineswegs für den antikapitalistischen Protest eines Linken gedacht. Sondern für das Gewehr eines Soldaten.

Die Welt des Modellbaus ist im besten Fall mit dem Ruch der Spießigkeit, im schlechtesten mit dem des Militarismus behaftet. Eisenbahnpanoramen und Schlachtszenen aus dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg prägen das Klischee. Michael Schmeier ist seit seiner Kindheit Modellbau-Fan. Und hat mit beidem nichts zu schaffen.

Im ehemaligen Frankfurter Polizeigewahrsam im Klapperfeld zeigt der Künstler unter dem Ausstellungstitel »Ästhetik des Widerstands« bis zum 19. Mai zehn seiner rund einen Quadratmeter großen Modellbauwelten:-3-D-Landschaften, die er »Dioramen« nennt. Weit jenseits der seltsam heilen Welten aus den Hobbykellern gestaltet der 46-jährige Kölner Geschichtslehrer Hausbesetzungen in Kreuzberg, Flüchtlingsdramen in Südostasien, Szenen aus dem Spanischen Bürgerkrieg oder Straßenkämpfe in Beirut – alles im Maßstab 1:35.

Es sind Szenarien gegen Krieg, Militär- und Polizeigewalt, gegen den Kapitalismus. All das empfindet Schmeier mit Wasserfarben, Gips und Werkzeugen nach, die ihm ein Zahntechniker überlassen hat. Die Rohlinge für seine Figuren stammen aus dem Modellbaufachhandel. Die ausgebombten Autos für die Darstellung aus dem belagerten Sarajewo oder die vor den amerikanischen Truppen fliehenden vietnamesischen Familien hat er hingegen selbst kreiert. Denn der klassische Modellbau kennt keine Toten, keine Verletzten, keine Flüchtenden. »Da liegen Soldaten vor Panzern in der Sonne und spielen Karten.«

Die eingangs beschriebene Demonstrationsszene spielt in Frankfurt. »Nichts ist vergessen – Günter Sare« steht auf einem Transparent. Günter Sare starb 1985 während der Demonstration gegen eine NPD-Versammlung im Haus Gallus, als ihn ein Wasserwerfer überrollte. Sein Tod löste Straßenschlachten zwischen der autonomen Szene und der Polizei aus.

Matthias Schmeier hat in den 80ern in besetzten Häusern gewohnt, er hat gegen Atomkraft und die Startbahn West demonstriert. Viele Szenarien hat er aus der eigenen Erinnerung nachgebaut. Die Gruppe »Faites votre jeu!«, die im Klapperfeld in den vergangenen drei Jahren ein alternatives Kulturzentrum mitten in der Innenstadt geschaffen hat, freut sich, dem Künstler ein Forum bieten zu können. »Die von ihm geschaffenen Modellbauwelten eröffnen einen neuen Zugang zur historisch-politischen Auseinandersetzung«, sagt Sprecherin Maja Koster. Matthias Schmeier gefällt die Location gut: »Das ehemalige Polizeigefängnis als historischer Ort scheint mir ein besonders gut geeigneter Platz für meine Dioramen zu sein.«

Ausstellung

Die Schau »Ästhetik des Widerstands« mit Matthias Schmeiers Dioramen im ehemaligen Frankfurter Polizeigewahrsam Klapperfeld, Klapperfeldstraße 5, ist noch bis zum 19. Mai geöffnet: dienstags von 17 bis 20, mittwochs von 10 bis 13, samstags sowie sonntags von 15 bis 18 Uhr. Eintritt frei, Spenden erwünscht.

Während der Öffnungszeiten können sich Besucher auch die Dauerausstellung zur Geschichte des Klapperfelds anschauen. Gruppen, die außerhalb der regulären Zeiten kommen möchten, können unter der Rufnummer 0163 / 9401683 oder per Mail unter info[ät]klapperfeld.de einen Termin vereinbaren. Infos im Internet: www.klapperfeld.de.

Begleitend zur Ausstellung organisiert »Faites votre jeu!« Veranstaltungen zu den Themen Repression und Polizeigewalt. Am Mittwoch, 9. Mai, hält der Frankfurter Philosoph Daniel Loick einen Vortrag: »But who protects us from you? Zur Kritik der Polizei«. Beginn ist um 19.30 Uhr.

Frankfurter Rundschau, 04.05.2012

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