Teilnehmerinnen stellen die Enge in der Asylbewerber-Unterkunft in Oberursel nach. (Foto: Jülich)

Das »Bildungskollektiv Bleiberecht« will auf die Lebensbedingungen von Asylbewerbern aufmerksam machen und bietet einen Stadtrundgang unter dem Titel »Leben ohne Papiere« an.

Zum Stadtrundgang unter dem Titel »Leben ohne Papiere« wurde geladen – doch am Samstagvormittag bleibt die Gruppe, die sich im Klapperfeld versammelt hat, um etwas über die Situation von Illegalen und Asylbewerbern in Frankfurt zu erfahren, die meiste Zeit über im ehemaligen Gefängnis selbst. Lediglich drei Stationen im Umkreis von etwa 300 Metern stehen auf dem Programm.

Das hängt auch mit der Kälte zusammen, die draußen herrscht. Doch selbst, wenn es wärmer wäre, hätte sich der »Rundgang« nicht in wesentlich größerem Radius bewegt. Aylin, eine der beiden jungen Frauen, die das Ganze anleiten, erklärt das so: »Es ist kein klassischer Rundgang, denn die Menschen, um die es geht, müssen meist sehr isoliert leben und haben keine Orte in der Stadt, an denen sie sich aufhalten können.« Sie und ihre Mitstreiter vom »Bildungskollektiv Bleiberecht« haben das Projekt eigentlich für Schülergruppen konzipiert. Mit denen suchen sie symbolische Orte in der Innenstadt auf, die für verschiedene Stationen stehen, die Flüchtlinge in Deutschland durchlaufen.

Das beginnt in der B-Ebene der Konstablerwache mit dem Thema »Ankunft, Wohnen und Mobilität«. Die 26-jährige Aylin und ihre Kollegin Silvia berichten, dass Flüchtlinge, die es bis nach Hessen schaffen, zunächst in die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen kommen und von dort anhand eines Quotensystems auf die verschiedenen Landkreise verteilt werden. Dort ist die Unterbringung entweder dezentral in eigenen Wohnungen oder in Lagern möglich. Nebenbei bemerkt Aylin, dass in Hessen gerade die beiden reichsten Kreise – der Hochtaunus- und der Main-Taunus-Kreis – die meisten Asylbewerber in Lagern unterbringen. So etwa im »berüchtigten« Lager in Oberursel, wo zum Teil zwei Menschen in einem neun Quadratmeter großen Zimmer leben müssten, und wo die Bewohner nur knapp 40 Euro »Taschengeld« pro Monat bekämen. Zum Thema »Mobilität« gehört vor allem die Residenzpflicht, die es Menschen ohne festen Aufenthaltsstatus unter Strafe verbietet, den Landkreis zu verlassen, dem sie zugeteilt wurden. »Wer in Frankfurt wohnt, kann zum Beispiel keine Bekannten in Mainz besuchen«, veranschaulicht Aylin.

So geht es weiter zu Themen wie »Arbeit und Ausbildung«, »Recht und Asyl« und letztlich »Abschiebung«.

Letztere ist die wohl berührendste Station, denn es geht nicht nur darum, wie Menschen oft nach Jahren in Deutschland von einem Tag auf den anderen gezwungen werden, in ihr Herkunftsland zurückzukehren – häufig über den Frankfurter Flughafen. Es geht auch um Abschiebehaft, in die Menschen genommen werden können, damit sie der Abschiebung nicht zu entkommen versuchen – allerdings ohne dass tatsächlich eine Straftat vorliegt. Das Klapperfeld hat noch bis in die 2000er-Jahre hinein als Abschiebegefängnis gedient. Die Initiative »Faites votre jeu!«, die es seit 2009 nutzt, beließ die Zellen im selben Zustand, in dem sie sie vorgefunden hatte. Und der ist erschütternd: Die Zellen sind winzig, heruntergekommen und dunkel – die Wände voller trauriger Botschaften von Rumänen, Nigerianern und Kosovaren, die hier auf ihre Ausweisung warteten. Die 23-jährige Sarah ist erschüttert: »Ich wusste nicht, dass die Zellen in so schlechtem Zustand waren – und wie lange das Klapperfeld trotzdem noch genutzt wurde.«

Die Schüler, mit denen Aylin und ihre Kollegen ihre Tour gemacht haben, waren weniger beeindruckt: »Ich habe den Eindruck, für viele, die sich noch nie mit dem Thema beschäftigt haben, ist es einfach zu weit weg von ihrem eigenen Leben.«

Leben ohne Papiere

Das »Bildungskollektiv Bleiberecht« bietet den Rundgang »Leben ohne Papiere« zu symbolischen Orten wieder am Samstag, 13. April, und am Freitag, 24. April, für Einzelpersonen an. Los geht es an beiden Tagen um 10 Uhr vor dem Klapperfeld, Klapperfeldstraße 5. Infos zu Buchungen für Schülergruppen gibt es unter lebenohnepapiere.antira.info

Die Ausstellung »Europäische Grenzen: Traces to and through Europe«, zu dessen Rahmenprogramm der Rundgang gehörte, ist zum letzten Mal in dieser Woche geöffnet – am Mittwoch, 13. Februar, von 10 bis 13 Uhr, und am Donnerstag, 14. Februar, von 17 bis 20 Uhr. Mehr Informationen unter klapperfeld.de

Frankfurter Rundschau, 11.02.2013
Von Alicia Lindhoff

Vorheriger ArtikelHausbesetzung in Marburg!
Nächster ArtikelGroßes Interesse an Gastausstellung »EUropäische Grenzen« – Die Schau ist noch bis zum 15. Februar im ehemaligen Abschiebegefängnis Klapperfeld zu sehen