Sehr geehrter Herr Lütjens,
Liebes Kollegium der Schule für Bekleidung und Mode,

mit großem Interesse haben wir Ihr Engagement der letzten Monate in Bezug auf Ihr berechtigtes Anliegen nach besseren Lehr- und Lernbedingungen für die Schüler_innen der Schule für Bekleidung und Mode zur Kenntnis genommen. Wir begrüßen es sehr, dass Sie zumindest in der Öffentlichkeit darlegen, dass Sie Ihre Interessen in Bezug auf die Schule für Bekleidung und Mode nicht gegen die unseren ausspielen wollen und unser »grundsätzliches Anliegen« in Ihrem Kollegium auf »Verständnis stößt«. Ihr sonstiges Verhalten jedoch lässt an der Ernsthaftigkeit Ihrer Äußerungen stark zweifeln. Dies ist auch der Grund weshalb wir im folgenden auf die Stellungnahme Ihres Kollegiums und die Art der Verbreitung dieses Papiers eingehen möchten. Nicht unkommentiert lassen können wir auch die Schilderungen einiger Schüler_innen der oben genannten Schule.

Zunächst zu dem Schreiben Ihres Kollegiums: Die Gegenüberstellung der Aktiven unserer Initiative, die Sie Ihrer Wahrnehmung nach als »eher privilegierte junge Studierende« beschreiben, mit Schüler_innen der Schule für Bekleidung und Mode welcher ihrer Aussage nach aus »benachteiligten Milieus mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen« kommen, lässt ihre Behauptung, keine Interessen gegeneinander ausspielen zu wollen, zur bloßen Floskel verkommen. Außerdem lässt Ihr Aufrechnen von Bedürftigkeiten die nötige soziale Kompetenz vermissen, die besonders bei einer solch »heterogenen Schülerschaft« sicher von Nöten ist.

Des Weiteren wundert es uns sehr, wie sie auf die Idee kommen können, dass es sich bei den Menschen unserer Gruppe um Personen handle, die »ihre schulische Ausbildung ohne größere Umwege genießen durften« – ohne jemals wirklich in Kontakt mit uns getreten zu sein, lässt sich wohl eine wahrheitsgemäße Aussage in Bezug darauf nicht formulieren. Die Realität sieht nun mal ganz anders aus.

Wenn Sie die Presseberichte in den letzten Wochen verfolgt haben, so müsste auch Ihnen klar sein, dass Sie uns weder »unreflektiertes Verhalten«, noch »fehlende Kompromissbereitschaft« vorwerfen können. So suchten wir, in den vergangenen Monaten immer wieder das Gespräch mit Jutta Ebeling und dem Bildungsdezernat und stellten wiederholt klar, dass unser Ziel nicht die Beeinträchtigung der Schüler_innen der Schule für Bekleidung und Mode und deren Lernabläufen ist.

Ferner haben wir Ihnen, Herr Lütjens – zum Beispiel auf der Ortsbeiratssitzung am 3.12. und auf unserer Pressekonferenz am 18.12. – mehrfach angeboten, auch Veranstaltungen mit Schüler_innen der Schule für Bekleidung und Mode durchzuführen. Dies wurde von Ihrer Seite jedoch mit strikter Ablehnung beantwortet. Auch sonst bieten wir jenseits schulischen Alltags vielseitige Bildungsangebote für Menschen aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen – vollkommen unabhängig von Alter, Bildungsgrad oder Herkunft – an. Als ein Beispiel nennen wir hier die Veranstaltungsreihe »Faites votre éducation« die sich besonders an Schüler_innen und Nichtstudierende richtet.

Bei dieser werden, in Zusammenarbeit mit Lehrbeauftragten der Frankfurter Goethe-Universität, unterschiedlichste Themenbereiche behandelt, die in Ausbildung, Schule oder Uni zunehmend weniger Raum haben. So wurden zuletzt am Dienstag, den 27. Januar – anlässlich des Befreiungstages von Auschwitz – zwei Veranstaltungen durchgeführt, die sicher auch für die Schüler_innen der Schule für Bekleidung und Mode spannend gewesen wären: So konnte mensch mit Dr. habil. Benjamin Ortmeyer zum Thema »Schulzeit unterm Hitlerbild« die NS-Zeit an der eigenen Schule erforschen. Prof. Dr. Micha Brumlik hielt einen Vortrag zur »Entstehung von Antisemitismus« mit anschließender Diskussion.

Wir sind sehr irritiert darüber, dass wir aus Gesprächen mit einigen Schüler_innen der Schule für Bekleidung und Mode erfahren mussten, dass diesen untersagt wurde, mit uns in Kontakt zu treten und sogar dazu angehalten worden sind, sich zu melden, wenn mitbekommen wird, dass dies Mitschüler_innen versuchen sollten. Ihr Versuch, über Kontaktverbot und die Aufforderung zur Denunziation zu verhindern, dass die Schüler_innen Ihrer Schule sich ein eigenes Bild von unserer Initiative und dem selbstverwalteten Kunst- und Kulturzentrum machen, lassen sicher nicht nur uns daran Zweifeln, dass Ihr Ziel die Erziehung zur Mündigkeit ist. Das Verhalten Ihres Kollegiums macht klar, wie notwendig außerschulische und selbstbestimmte Bildungsangebote sind.

Unerträglich ist nicht nur, dass Sie den Schüler_innen das Recht aberkennen, selbst zu Denken, damit sie einen eigenen Eindruck von uns bekommen, sondern auch, dass Sie unseren »Sympathisanten« das Recht absprechen selbst zu entscheiden, mit »wem oder was sie sich solidarisch erklären«. Das Sie Ihre Stellungnahme – wohl mit dem Ziel, einer Distanzierung von uns – an unsere Unterstützer_innen versendet haben, ist eine Unverschämtheit, die keiner weiteren Kommentierung bedarf.

Ihr Auftreten und Verhalten diesbezüglich veranlasst uns dazu, darauf hinzuweisen, das »moderne Pädagogik« nicht nur »geeignete Räume«, sondern auch umsichtige und weltoffene Pädagog_innen und Lehrkräfte benötigt und an Ihrer Schule wohl nicht nur ein Mangel an Platz besteht. Wir sind der Meinung, dass Jugendliche durch die gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse schon genug unter Druck gesetzt werden und es nicht notwendig ist, diesen Druck durch Meinungsverbote zu erhöhen.

Somit Verbleiben wir in der Hoffnung, dass sich nicht nur Ihre Raumsituation in naher Zukunft verbessert, damit Sie nicht als bald vor Ihrem pädagogischen »rien ne va plus!« stehen.

Mit freundlichen Grüßen aus Ihrer Nachbarschaft,
die Initiative »Faites votre jeu!«

P.S.: Zuletzt möchten wir noch darauf Hinweisen, dass dieses Schreiben nichts mit den derzeitigen Verhandlungen um ein etwaiges Ersatzobjekt zu tun hat. Der einzige Grund für unseren Brief ist das unreflektierte Verhalten Ihrer Schulleitung und Ihres Kollegiums. Des Weiteren möchten wir klarstellen, dass Sie im Moment die einzigen in diesem Konflikt sind, die kein Interesse an einer gütlichen Einigung zu haben scheinen.

Anhang:

Kopie via E-Mail an:

  • Schüler_innen-Vertretung der Schule für Bekleidung und Mode
  • Dezernat II – Bildung und Frauen
  • Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung
  • Ortsbeirat 2 (Bockenheim, Kuhwald, Westend)

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