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Leserbrief zum Artikel »Schwieriges Gedenken« in der Frankfurter Rundschau vom 3. Dezember 2010 (Link zum Artikel)

Anlass für diesen Leserbrief ist die missverständliche Berichterstattung über die Podiumsdiskussion »Erinnerung wachhalten – Gedenkorte gestalten« am Mittwoch, den 1. Dezember 2010.

Laut des Artikels »Schwieriges Gedenken« vom 3. Dezember 2010 hätten wir als Vertreterinnen der Initiative »Faites votre jeu!«, die sich im ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld unter anderem mit dessen Geschichte befasst, gesagt, der Ort interessiere nicht, sondern es gelte nur die richtigen Fragen aufzuwerfen. Das haben wir so weder gesagt noch gemeint.

Schon unsere Arbeit zur Geschichte des Klapperfelds zeigt, dass wir die Auseinandersetzung mit ›konkreten Orten‹ des historischen Geschehens sehr wohl als wichtig erachten. Allerdings halten wir es für unerlässlich, dass sich eben an diesen ›konkreten Orten‹ kritisch mit der Vergangenheit auseinandergesetzt wird. So ist es richtig, wie im Artikel erwähnt wird, dass wir es wichtig finden, die richtigen Fragen aufzuwerfen. Fragen, die über das historische Geschehen hinaus gehen und Bezüge zur Gegenwart aufzeigen.

In diesem Kontext ist auch das Klapperfeld besonders interessant, weil es eine über 100-jährige Geschichte der gesellschaftlichen Ausgrenzung schreibt, die bis in die jüngste Vergangenheit reicht. Eine Beschäftigung mit dieser Geschichte beinhaltet daher auch eine Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Formen der gesellschaftlichen Ausgrenzung. Bei unserer Auseinandersetzung geht es uns nicht um historische Vergleiche, die weder der Analyse der historischen noch der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse dienlich sind. Es geht darum, eine Lehre aus der Geschichte zu ziehen und Brüche aber auch Kontinuitäten deutlich zu machen. Eine der wesentlichen Fragen, die sich bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte ergibt, ist die nach Handlungsspielräumen innerhalb einer Gesellschaft, um sich Ungerechtigkeiten und Repression widersetzen zu können.

Darüber hinaus ist es uns in Bezug auf die historische Auseinandersetzung und das Gedenken besonders wichtig, genauer hinzusehen, mit welcher Intention diese stattfinden, denn zunehmend geschieht beides im Sinne der Nation. Die Nation ist eine per se auf Ausschließung basierende Gesellschaftsform. Eine Lehre, die aus dem Geschichte gezogen werden muss, ist die, dass Nationalismus grundsätzlich zu kritisieren ist. In den letzten Jahren wurde jedoch die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und das Gedenken an dessen Opfer immer häufiger instrumentalisiert – zur Stärkung nationalistischer Diskurse und/oder zur Rechtfertigung aktueller politischer Interventionen (z.B.: Begründung für den Kriegseinsatz deutscher Truppen im Kosovo). Eine kritische Auseinandersetzung ist folglich von staatlicher Seite kaum zu erwarten. Ein Grund, warum Orte kritischer historischer Auseinandersetzung jenseits staatlicher Abhängigkeiten und Einflussnahme besonders wichtig sind.

»Faites votre jeu!«

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