Beeindruckend und bedrückend: Im Untergeschoss erfahren die Besucher von den unerträglichen Zuständen in der NS-Zeit. (Foto: Rolf Oeser)

Zum zwölfjährigen Bestehen bietet die Frankfurter Initiative »Faites votre jeu!« Führungen durch den alten Knast an.

Zwischen den Häuserschluchten staut sich am frühen Samstagabend die Hitze. Auch im Hofeingang des Klapperfelds, an der Ecke Heiligkreuzgasse/Klapperfeldstraße, schützt ein Pavillon kaum vor der tiefstehenden, heißen Abendsonne. Viel ist aber ohnehin nicht los.

Ihren zwölften Geburtstag feiert die Initiative »Faites votre jeu!«, die das Klapperfeld seit elf Jahren als «selbstverwalteten Raum für Politik, Kultur und Geschichtsarbeit« nutzt, ohne große Party. Wegen Corona gibt es lediglich Führungen durch die beiden Dauerausstellungen des ehemaligen Polizeigefängnisses. Und überhaupt hat die Initiative erstmals, seit Ausbruch der Pandemie, wieder ihre Türen offiziell geöffnet. Rund zwei Dutzend Besucher sind bis zum Abend gekommen, um sich die ausgedienten Zellentrakte mit Mund-Nasen-Schutz anzusehen.

Mit „Faites votre jeu!“ hat alles am 1. August 2008 begonnen. An jenem Tag hatte die Initiative, die zu großen Teilen aus Frankfurter Studierenden bestand, das ehemalige Jugendhaus in Bockenheim besetzt. »Zum Zweck von Party, Politik und Ausstellungen«, berichtet ein Mitglied der Initiative, das sich mit Johannes vorstellt und am Samstag durch die Ausstellungen führt. Nachdem das Bockenheimer Jugendhaus geräumt worden war, sei das »Gefängnis als alternatives Objekt« vorgeschlagen worden.

Weil das 1886 errichtete Gebäude während des Nationalsozialismus von der Gestapo systematisch für Folterungen und nach dem Zweiten Weltkrieg für Abschiebungen genutzt worden war, wollten die Aktivisten die Erinnerung daran wachhalten und lasen sich in die Geschichte ein. Daraus entstand im Untergeschoss des Backsteinbaus, an dem noch immer die Fenster vergittert sind, eine Dauerausstellung zur Entstehungsgeschichte und im zweiten Obergeschoss eine zu den Abschiebungsinhaftierungen, die von 1955 bis 2002 dort angeordnet wurden.

Vieles sieht noch so aus wie vor Jahrzehnten

Vieles sieht noch so aus wie vor Jahrzehnten, teils noch älter. Die metallenen Pritschen, die an den Wänden hängen und auf denen Inhaftierte üblicherweise zwei Wochen auf ihre Abschiebungen warten mussten – teilweise auch länger – sind Überbleibsel aus den Anfangsjahren der Haftanstalt. Um die Erinnerung zu bewahren, haben die Aktivisten die Zellen so belassen, wie sie sie vorgefunden haben.

Neben Infotafeln zur Historie zeigt ein Bildschirm Aufnahmen von Zeitzeugeninterviews, etwa mit dem Widerstandskämpfer Hans Schwert, der in dem Polizeigefängnis während der NS-Zeit gefoltert worden war. An den Flur und die Zellen im Keller grenzt der Partyraum der Initiative.

Das sei ihnen besonders wichtig, sagt Johannes, dass bei Feiern auch die Räume zu den Ausstellungen offenstünden, um auf die Vergangenheit des Hauses aufmerksam zu machen. Im Erdgeschoss wurde ein Zeitstrahl an die Wand gepinselt, den man beim Durchlaufen des Flurs vom Haupteingang sieht.

Bands proben außerdem im Klapperfeld. Es gibt eine Fahrrad- und Holz- und Siebdruckwerkstatt, einen Umsonst-Laden sowie ein Fotolabor. Wie andere Kultureinrichtungen, so berichtet Johannes, kämpfe auch »Faites votre jeu!« seit Corona ums Überleben, weil etwa Einnahmen aus Barabenden wegfielen.


Frankfurter Rundschau, 27.07.2020
Von Clemens Dörrenberg

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